"Wir können Probleme nicht mit den Denkmustern
lösen, die zu ihnen geführt haben."
Albert Einstein
Die Probleme
dieser Welt sind groß und sie sind sehr komplex. Eine Krise jagt die andere und
eine Katastrophe folgt der anderen. Die politische Machthaber stehen hilflos
daneben. Sie haben, wie die Wahlbeteiligung zeigt, das Vertrauen in breiten
Teilen der Bevölkerung verloren. Die Finanziers werden von der Presse als
rücksichtslose Nutznießer der Misere der Massen angesehen.(1) Der
einzelne Mensch fühlt sich darin ohnmächtig dem Geschehen der Zeit
ausgeliefert. Er ist auf Grund der fehlenden Perspektiven hoffnungslos. Die
Angst ist für viele Menschen das Grundlebensgefühl.
Überall werden Lösungen gesucht, aber es scheint, dass es
keine gibt. Utopien wie der Kommunismus sind gescheitert. Der „Kreuzzug gegen
das Böse“ eines George W. Bush hat die Welt um keinen Deut glücklicher gemacht.
Spätestens nach der Finanzkrise ist allen klar, dass aus der Raffsucht der
Finanzmächtigen kein Paradies erwächst. Der brutale unkontrollierte
Kapitalismus, welcher nur das Recht des Mächtigen kennt, hat als direkte Folge
großes Leid verursacht. In Deutschland wird im Abbau des Sozialstaates
deutlich, dass die soziale Markwirtschaft politisch nicht mehr gewollt ist. Die
Probleme sind weltweit und irgendwie ist jeder einzelne der 7 Milliarden
Menschen ein Betroffener.
Da hinein behauptet die christliche Kirche, dass das
Evangelium der Christen frohe Botschaft für die Völker ist. Was ist nun eine
„Frohe Botschaft“ für den Menschen im Irak? Was ist Frohe Botschaft für die an
Aids sterbende Frau in Soweto oder was bedeutet Evangelium für das Straßenkind
in Rio de Janeiro? Daraus ergibt sich eine tiefe grundsätzliche Frage, die mich
und viele andere umtreibt: Gibt es überhaupt ein Evangelium, eine frohe
Botschaft, für diese verzweifelt, an sich selbst zu Grunde gehende Menschheit?
Unsere heutige
Welt ist in vielen Punkten das Resultat einer aus der westlichen Philosophie
hervorgegangnen gewollten Gestaltung des menschlichen Daseins. Dabei hat die
christliche Religion einen großen Einfluss gehabt. Die weltweiten
Wirtschaftsprinzipien gehen auf den im christlichen Abendland entstandenen
Liberalismus zurück. Der Homo oeconomicus(2), welcher
eigeninteressiert und rational handelt und alles zum seinen eigenen Nutzen
maximiert ist das direkte Produkt westlicher und damit christlicher
Wirtschaftstheorien.
Dieser
propagierte Wirtschaftsegoismus steht jedoch im Gegensatz zu der sich
hingebenden und opferbereiten Jesusnachfolge. Eine christliche Theologie kann
an dieser Kontroverse nicht vorbeigehen. Es ist erstaunlich, dass es in vielen
christlichen, besonders auch evangelikalen Bewegungen, nicht darum geht, Heil
für die Welt zu verbreiten, sondern das Privileg einer Elitären Minderheit zu
wahren. Sie verstehen sich als die aus der Welt Herausgerufenen, die Ekklesia, die
Elite, welche den Himmel für sich garantiert hat. Die missionarische Tätigkeit
konzentriert sich darauf, Einzelne zu dieser Elite zu rufen. Dabei wird völlig
übersehen, dass das griechische Wort Ekklesia (gr. ἐκκλησία),
welches mit Gemeinde übersetzt wurde, im Lebenskontext von Jesus und den
Aposteln eindeutig eine politische Bedeutung hatte. Die Ekklesia war für das
Gemeinwohl der Polis, der Menschengemeinschaft, verantwortlich.
Das apostolische
Glaubenbekenntnis, welches den Glauben an einen einzigen, dreieinigen Gott
deklariert, trennt diesen Gott nicht in einen privaten und politischen oder
wirtschaftlichen Gott auf. Das Bekenntnis zum christlichen Monotheismus, ist
deshalb gleichzeitlich das Bekenntnis zu einem holistischen, ganzheitlichen
Gott. Deswegen kann es kein christliches Evangelium geben, welches die
politischen und wirtschaftlichen Aspekte der menschlichen Lebensgestaltung
ausklammert. Ebenso ist ein lokal begrenztes oder national fokussiertes
Evangelium ein falsches Evangelium. Solange Gott diese Welt (gr. kosmon)
liebt (Joh 3,16), ist eine
Evangelisation, welche nicht die Welt und damit die gesamte Menschheit, im
Blick hat, schlicht und einfach unbiblisch.
Der Apostel
Johannes stellte die steile Behauptung auf, dass derjenige, der nicht liebt,
Gott nicht kennt. Wenn ich mich umschaue, dann kann ich in unserer Welt viel
Lieblosigkeit entdecken. Menschen, die Menschen lieben sind wir Oasen in der
Wüste. Es gibt sie nur zu wenig. In den christlichen Gemeinschaften sind die
Menschen der „Welt“ nicht willkommen. Die zentrale Aussage des
Evangeliums von Christus ist, nach der Formulierung des Apostels Johannes, dass
Gott diese Welt und die Menschen liebt (Joh.3, 16).
Jesus selbst
behauptete, dass die oberste Bestimmung des menschlichen Daseins, das höchste
und allumfassende Gebot, die Liebe ist. Dieses Gebot ist damit die
Zusammenfassung der gesamten biblischen Botschaft (Math22,36-40). Das
Kennzeichen der Gemeinde Jesu Christi ist nach den Aussagen ihres Gründers die
Liebe (Joh13,35). Dabei ist jedoch nicht eine Liebe nach willkürlichen
Maßstäben gemeint, sondern sie ist durch das Vorbild und dem Wesen der Person
Jesu von Nazareth, dem Gründer der christlichen Kirche, selber definiert. Sein
Leben, seine Art mit Menschen umzugehen, seine Opferbereitschaft und Hingabe,
wird somit normativ für die Qualität von Liebe. Das gilt auch für Leiter und Manager
der christlichen Institutionen, Werke und Einrichtungen. Praktiziert ein
christlicher Leiter Bossing oder Mobbing, so handelt er gegen Christus, das heißt antichristlich.
Eine christliche Theologie, die sich nicht an Christus
orientiert und so die Theorie und Praxis der Liebe verbindet, ist ein Affront
gegen den Heiland selber. Gemeindeleben, Gemeindeleitung und Kirchenpolitik hat
sich an Ihm auszurichten, wenn sie nicht antichristlich sein will. Dieses geht
nicht, wenn die Leitungspersonen sich nicht auf Menschen einlassen, ihnen nicht
nahe kommen. Anonymes Kirchenmanagement vom Schreibtisch durch unpersönliche
E-mails hat gar nichts mit Christusnachfolge zu tun. Wer Menschen nicht liebt,
dass heißt ihnen nicht von Mensch zu Mensch begegnet, mit ihnen redet, ist
durch den zentralen Anspruch Christi als normatives Modell christlicher Leiterschaft,
für Führungspositionen in der Kirche Jesus Christi disqualifiziert. Dennoch
sitzen distanzierte Manager, denen der einzelne Mitarbeiter egal ist, in den
Vorständen von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen.
Das Problem der Kirchen liegt nicht bei den Menschen, die
Sonntag in der Kirche sitzen. Es sind die leeren Sitzplätze. Wenn es in
Organisationen stinkt, dann ist es wie bei Fischen, sie stinken immer vom Kopf
her. Festzustellen ist, dass es in den Kirchen gewaltig stinkt. Deswegen sind
die Gotteshäuser auch leer.
Nun kann die Ursache im Haupt der Kirche, der Gemeinde, in
Jesus Christus selbst liegen. Wenn das so ist, gibt es kein christliches
Evangelium. Vielleicht ist es aber auch in der Tatsache begründet, dass man ihn
bereits hinauskomplimentiert hat. Vielleicht steht er, wie in der Gemeinde zu
Laodicea, bereits zu lange vor der Tür? Eine Kirche, bei der dieses der Fall
ist, hat das Recht verloren, sich Kirche zu nennen. Kirchenfürsten und
Gemeindeleiter, die nicht die „Dienende Leiterschaft“ nach dem Modell des
Füße waschenden Christus praktizieren sind antichristlich.
Solange die Kirchen an den Denkmustern, welche in die
Ausbeutung der Menschen geführt hat, festhalten, werden sie keine Antwort für die
verzweifelte Menschheit haben. Reiche werden immer reicher – Arme immer ärmer.
Das gilt für Innerdeutschland (die reichsten 10% der Haushalte besitzen 53% des
Privatvermögens)(3) oder für die einzelnen
Länder. Es ist die christlich-westliche Denke, welche die Grundlagen dieser
Ungerechtigkeit ist. Wenn wir aber dagegen
radikal Jesus nachfolgen, dann stellen wir uns gegen die üblichen,
anerkannten und erfolgreichen Wirtschaftsysteme. Wie sagt Shane Claiborne: „Ich
muss verrückt sein, so zu leben!“(4)
Die Welt in der wir leben, ist
eine Welt voller Probleme! Aber wie sagte Albert Einstein: "Wir können Probleme nicht mit den Denkmustern
lösen, die zu gerade diesen Problemen geführt haben."
1 Pressemitteilung der CGC Consulting GmbH einer Untersuchung zur
Finanzkrise vom 27.2.2009. http://www.openpr.de/news/286494
Unternehmen fordern vernünftige Politik und kein Kurieren an
Symptomen - Wertebewußtsein notwendiger denn je Zugriff 10.7.2010
2 bedeutet Wirtschaftsmensch
3 http://www.focus.de/schlagwoerter/themen/a/armutsbericht/
(20.9.2012)
4 Shane Claiborne, Ich muss
verrückt sein so zu leben – Kompromisslose Experimente in Sachen Nächstenliebe,
Brunnenverlag, Basel / Giessen; 2007
Das Problem ist das das Evangelium verdreht wurde.
AntwortenLöschenViele Christen müssen zurück zu den Wurzeln, sonst sterben sie ab. In den alten Bibelfilmen kann man die gute Botschaft noch klar erkennen.