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Mittwoch, 3. Oktober 2012

Christsein in einer veränderten Welt: Mission heute


Ohne den Blick auf den gesamten Globus zu haben, gibt es deshalb auch kein Evangelium. Es kann kein individuelles, persönliches Evangelium geben, wenn es keine „Gute Nachricht“ für die gesamte Menschheit gibt. 



Christsein in einer veränderten Welt: Mission heute


In dem Film der Herr der Ringe sagt Galadriel: “The world is changing, I feel it in the earth, I feel it in the water, I smell it in the air. Much that once was is now forgotten; for none now live who remeber it.”(1) Damit legt Peter Jackson der Elfenkönigin Galadriel das Empfinden vieler Menschen in den Mund. Die Menschheit durchläuft drastische Veränderungen. Es geschehen nun so viele Veränderungen, dass man sie nicht mehr bewusst registrieren kann. Veränderungen machen Angst. Sie bewirken das Gefühl von Unsicherheit im Menschen. Das was gestern galt, ist heute überholt und das heute Aktuelle ist morgen schon völlig irrelevant. Es sind nur 20 Jahre her, dass das Sowjetimperium zusammenbrach. Die Jahrhundertsensation des Mauerfalls in Berlin erscheint heute fast unwirklicher Mythos vergangener Zeiten.(2) Wir feiern den Tag der deutschen Einheit fast ohne Erinnerungen an die Zeit der Uneinheit!
Die Welt in der wir leben ist die Welt der Menschen. Überall auf der Erde, selbst in der Sahara oder in der Antarktis existieren Menschen. Heute leben über fast 7 Milliarden Personen auf der Erde.(3) Während ich diesen Satz schreibe, gilt er schon nicht mehr und wenn sie diesen Text lesen ist die Zahl schon  bei Weitem überholt. Die Veränderungen umfassen alle Lebensbereiche. Dadurch werden Gefühle von Unsicherheit und Angst ausgelöst. Die logische Konsequenz, sind Krisen, sind Probleme. Ein Problem (gr. Πρόβλημα) ist das, was zur Lösung vorgelegt wurde. So nennt man eine Aufgabe oder Streitfrage, deren Lösung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Probleme stellen Hindernisse dar, die überwunden oder umgangen werden müssen, um zu einem Gewünschten Ziel oder Zustand zu gelangen.
Zur menschlichen Existenz, da Leben dynamisch ist, gehören Probleme. Viele Menschen bedeuteen viele Probleme. Milliarden von Menschen bedeuten Milliarden von individuellen Problemen. Große Menschengruppen  bedeuten große Probleme. Gemeinschaften haben ihre Sorgen. Familien, Gruppen, Ethnien, Staaten ja die Menschheit als Ganzes hat spezielle Probleme. Die Menschheit ist zu einem alle und alles umfassende Netz geworden, in das jeder einzelne eingewoben wurde, indem die Sorgen und Nöte des Einen Auswirkungen auf alle haben. Das heißt, dass die Menschheit konstant in Krise ist. Nun, jede Krise hat auch die Chance positiv auszugehen.
Die Menschheit ist, ob wir es wollen oder nicht, globalisiert. So sind auch die individuellen Probleme der Menschen miteinander vernetzt. Es gibt keine in sich abgeschlossene lokale oder rein individuelle Lösungen mehr. Kleinste Veränderungen in einem Teil der Welt können große Umwälzungen woanders bedeuten. Der Gewinn für den Einzelnen kann den Verlust für viele andere bedeuten. Punktuelle und lokale Lösungen sind deswegen immer auch nur begrenzt gültig. Ohne den Blick auf den gesamten Globus zu haben, gibt es deshalb auch kein Evangelium. Es kann kein individuelles, persönliches Evangelium geben, wenn es keine „Gute Nachricht“ für die gesamte Menschheit gibt. Es gibt keine lokale Rettung, wenn es kein globales Heil gibt. Die Christusbotschaft ist nun seit Beginn global angelegt. Sie richtet sich gleichwertig an alle Menschen. Dabei spielen Geschlecht und Rasse, Nationalität, Stand und Vermögen keine Rolle. Paulus erklärte deutlich, dass es vor Gott kein Ansehen der Person gibt (Rm 2,11) sie alle gesündigt haben (Rm 3,9-11) und dass sie alle durch Christus gerettet werden können (Rm 3.23-24). Das Evangelium von Christus ist global und richtet sich an alle Menschen.
Die Menschheit bewohnt als Kollektiv den Planeten Erde und ist somit einem gemeinsamen Schicksal unterworfen. Damit stehen wir vor der Frage zwischen Individualität und Kollektivität. Jeder Einzelne hat sein ganz persönliches Erleben und seine einzigartige persönliche Geschichte. Die Menschheit, obwohl sie ein Ganzes ist, besteht doch aus autonomen Personen, welche jede für sich in sich, eine eigene Welt mit seinen Freuden und Leiden ist. Es sind reale Personen, die in der Problematik unserer heutigen Zeit versuchen ihr Leben und das ihrer Mitmenschen zu gestalten.
Um diese Menschen zu verstehen ist es wichtig die Bühne ihrer Existenz, auf denen ihr Realleben sich abspielt, wahrzunehmen. Diese voll zu erfassen ist ein so komplexes und schwieriges vielleicht unmögliches Unterfangen, da alles Erkennen und Wissen nur Stückwerk ist. Wenn man die Augen für die Menschen öffnet, erschreckt die unermessliche Vielfalt der Einzelschicksale mit ihrer schier unübersichtlichen Vernetzung der sich bedingenden Abhängigkeiten.
Ebenso verwirrt die rasante Geschwindigkeit wie die globalen und lokalen Veränderungen vonstatten gehen. Der durch die Medien  vermittelte schwindelerregende Szenenwechsel der menschlichen Existenz erschwert das Erkennen von erfassbaren Mustern. Das einzige Konstante sind die konstanten Inkonstanten. Der Versuch sich irgendwo zu verankern, führt zur Zerreisproben, welchen der Einzelne nicht gewachsen ist. Wer jedoch diesen Wirbel nicht ertragen kann und vor dem schwindelerregenden  Lauf der Welt die Augen verschließt, steht in der Gefahr, sich in der Dunkelheit seiner eigenen „Ich-Gefangenheit“ zu verlieren. In der Suche nach Halt versuchen viele diesen irgendwie in sich selbst zu finden. Doch in der Konzentration auf sich selbst entfremdet sich der Mensch von den Menschen. Er wird weltfremd und weil er als soziales Wesen auf Gemeinschaft angelegt ist, verliert er sich selbst in existenzieller Einsamkeit.  
Brutal wirken sich die rasanten Veränderungen auf die junge Generation aus. Die Aussage, man lernt fürs Leben, ist längst überholt. Heute heißt es, man lebt um zu lernen.(4) Laut Martin Voegelin, muss der junge Mensch in Europa sich heute auf 4 – 6 unterschiedliche Berufslaufbahnen einstellen.(5) Die besten beruflichen Perspektiven haben lokal flexible Menschen mit hoher interkultureller Kompetenz. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Die Werte der Vergangenheit gelten nicht mehr. Durch die globale Vernetzung, in welcher jeder einzelne Mensch in einem konkurrierenden Wettbewerb zu allen anderen steht, zerbricht das Kollektiv der kulturellen Gemeinschaft zum individualistischen Überlebenskampf, der kein Mitleid kennt.
Detlef Blöcher beschrieb 1996 die Welt, in der wir leben, als eine Welt im Umbruch. Er nannte damals vier wichtige Faktoren, an denen dieses deutlich wird:
1. Der Wertewandel in Westeuropa, die fortschreitende Säkularisierung, der übersteigerte Individualismus
2. Die politischen Umwälzungen in Osteuropa mit all dem politischen und wirtschaftlichen Chaos
3. Die Industrialisierung Ostasiens und Südamerikas, zum Teil durch massiven ökologischen Raubbau
4. Die Bevölkerungsexplosion und Landflucht in Afrika(6)

Obwohl nur 16 Jahre vergangen sind, erscheinen diese Aussage wirklich wie aus dem letzten Jahrtausend. Das sind sie auch. Seid dem ist viel geschehen. Am 11.September 2001 ist die Welt grundlegend erschüttert worden. Der Terrorismus hat so umfassende Formen angenommen, dass jeder der auf diesem Planeten lebt davon betroffen wurde. In New York stürzte das World Trade Center ein und in Deutschland verlor der kleine Mann durch den Zusammenbruch der Versicherungsaktien seine mühsam erworbenen Ersparnisse. Gleichzeitig konnte der Bauer in Brasilien seine Orangen nicht los werden und in Japan meldeten Firmen den Konkurs an. Durch die internationale wirtschaftliche Vernetzung, hat jede lokale Krise globale Konsequenzen.
Die Angst vor Terror breitet sich aus. Seit der Zerstörung des World Trade Centers in New York, hat es überall auf der Welt geknallt. Denken wir an die Anschläge im Jahr 2002 auf Djerba, 11.April, in Karachi, 8.Mai, auf Bali, 12. Oktober, in Moskau, 24. Oktober oder in Mombasa am 28. November. Diese blutige Spur zieht sich durch alle Orte und Völker. Terror wird in der Angst geboren und hat als letzte Wirkung wieder Angst als Ziel. Handlungen der Angst sind nicht rational. Sie sind emotional, da Angst ein tiefes, starkes und alles dominierende Gefühl ist.
Der 11. September 2001 und die darauf folgenden militärischen Interventionen in Afghanistan und dem Irak haben den Vorderen Orient zu einer Brutstätte der weltweiten Angst gemacht. Die Konsequenzen einer aus der Angst geborenen Sicherheitspolitik sind drastisch. Der von Orwell für 1984 angekündigte Überwachungsstaat wird heute aus Panik vor Anschlägen von demokratischen Politikern mit der Unterstützung der Bevölkerung eingeführt. „Big Brother“ ist nicht utopische Horrorfiktion, sondern vergnügliche Unterhaltung im Fernsehen. Die totale Überwachung hat das „Stasi-Klischee“ verloren und ist salonfähig geworden. Mit dem Vorwand es diene dem Erhalt der Freiheit, wird die Freiheit geopfert.
So bestimmt heute auch nicht, der für eine funktionierende liberale Wirtschaftspolitik nötiger positivistischer Optimismus, das globale Wirtschaftsystem. Nicht die Perspektive auf Gewinn, sondern die Angst um die Verluste ist Markt bestimmend. Die Bankenkrise hat sich zu einer anhaltenden Weltwirtschaftskrise entwickelt. Keine Währung ist mehr stabil. Auf keine Anlage ist Verlass. Die soziale und gesellschaftliche Akzeptanz von Topmanagern und Wirtschaftseliten ist auf ihrem Tiefpunkt angelangt(7). Das „Morgen“ ist ungewiss geworden. Die Spielregeln der Freien Marktwirtschaft haben sich als nicht tragend erwiesen. Das Überleben der Einzelnen und der Gemeinschaften ist nicht mehr gesichert. Trotz großer Bemühungen zur Bekämpfung des Hungers, wächst die Zahl der Hungernden. Die Zahl der hungernden Menschen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. 1990 hungerten etwa 822 Millionen, im Jahr 2008 etwa 963 Millionen Menschen. Am 19. Juni 2009 berichtete die BBC, dass nun offiziell eine Milliarde Menschen hungern. Das ist etwa jeder sechste Mensch auf der Erde. Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen, hauptsächlich Kinder, an Hunger.(8)
Um einen Wirtschaftskollaps zu vermeiden haben die einzelnen Staaten Unmengen an Geld investiert. Geld, das sie nicht haben. Die Staaten sind überschuldet und damit entmachtet. Sie haben, ohne die für die Krise Verantwortlichen zur Kasse zu bitten, sich bei denselben Banken Milliarden ausgeliehen und somit aus den Taschen ihrer Bürger gezogen. Die Mehrheit der Menschen steht auf der Verlustseite. Diese Verluste haben irgendwo Gewinne eingebracht. Damit wird die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander gerissen.(9) Das alles hat zur Schwächung der Nationalstaaten geführt. Sie sind durch Abhängigkeiten nicht frei handlungsfähig und somit versklavt.
Richard Sennett beschreibt in seiner Kapitalismuskritik diesen als gewollt instabil:
Die einzige Konstante am Kapitalismus scheint seit den Zeiten von Marx die Instabilität zu sein. Die Umwälzung der Märkte, der Veitstanz der Investoren, der plötzliche Aufstieg, Zusammenbruch oder Wandel von Unternehmen, die Massenhafte Zuwanderung von Arbeitskräften auf der Suche nach Arbeit oder einer besseren Arbeitsstelle – solche Bilder von Energie des Kapitalismus prägten das 19. Jahrhundert wurden ... von dem Soziologen Joseph Schumpeter zusammengefasst, der von „schöpferischer Zerstörung“ sprach. Heute scheint der Kapitalismus mit dieser Energie völlig aufgeladen zu sein. ... Doch heute behaupten die an diesem Wandel beteiligten, dass wir keineswegs immer tiefer ins Chaos stürzen, sondern vielmehr eine neue Seite der Geschichte aufschlagen.(10)

Ebenso zeichnet der französische Philosoph Jean Baudrillard die Gefahren des globalisierten Kapitalismus auf: Die Abschaffung aller Regeln, genauer: die Reduzierung aller Regeln auf das Gesetz des Marktes ist das Gegenteil von Freiheit – nämlich deren Illusion. So altmodische und aristokratische Werte wie Würde, Ehre, Herausforderung, Opfer zählen darin nicht mehr.(11) Die Gier ist zur elementaren Tugend von diesem Kapitalismus geworden. So fragt auch Frank Schirrmacher: ... wie soll dieses System funktionieren ohne die Gier der Fabrikbesitzer, Manager und Banken?(12)
Durch all das geraten die Kulturen in Krisen. Gerhard Maletzke definiert:
In der Kulturanthropologie ist Kultur als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen, und Werteorientierungen, welche sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen, als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden. Ganz vereinfacht kann man sagen: Kultur ist die Art und Weise, wie die Menschen leben und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen.(13)

Lothar Käser bringt dieses auf den Punkt, wenn er feststellt: Kulturen sind Strategien der Daseinsbewältigung.(14) Umbruchsphasen sind Daseinskrisen. Die in der Kindheit erlernte Lebensstrategie, sprich Kultur, sollte dem Menschen die Ausrüstung zur Lebensbewältigung geben. Die traditionellen Kulturen kollabieren im globalen Kräftemessen. Sie versagen als Strategien in dem heutigen weltweiten erbarmungslosen Überlebenskampf. Sie tragen nicht durch, denn die Spielregeln die der eine gelernt hat, haben keine Bedeutung für den anderen. Die so verursachte Verunsicherung wird bei bedrohten Menschen zur Ursache und Motivation eines fundamentalistischen Rückzuges auf traditionelle Werte. Diese werden dann mit aller Gewalt verteidigt. Somit wird die Kultur an sich zum Sinn und Zweck des Kampfes und nicht das Überleben der Menschen. Dieses ist die Ursache für den Kampf der Kulturen.(15)
Wir leben heute in einer Welt des post..., des post-modernen, des post-sozialistischen, des post-christlichen, des post-nationalistischen usw.. Das Wort post (lat. post = hinter, nach) wird dabei als Bezeichnung gebraucht, da es nicht gelingt das Gegenwärtige positiv definierend durch ein angemessenes Adjektiv zu beschreiben. Man bezeichnet, was nicht mehr ist, aber nicht was ist. Damit wird der Verlust zur Definition. Verluste bewirken jedoch immer Schmerzen. Das irrationale krampfhafte Festhalten an dem Verlorenen führt immer zur Krise der eigenen Existenz. Dadurch wird der Verlust noch größer. Jedes „post“ bedeutet, dass es eine große und Gesellschaft bestimmende Veränderung gegeben hat.
Es sind unwiderrufliche Fakten welche zeigen, dass sich die Welt in den letzten 30 Jahren verändert hat: Die Welt ist globalisiert. Das wissenschaftliche Weltbild ist postmodern. Das ehemalige christliche Abendland ist säkularisiert. Der kommunistische Machtblock ist zusammengebrochen. Die Medien, Filme und Internet predigen Lebensart und Moralvorstellungen hinein in alle Häuser, einschließlich der geschlossenen Harems des Orients und der Indianerhütte des Amazonas.  Damit sind die vormals gegebenen Spielregeln der Daseinsbewältigung außer Kraft gesetzt oder wenigstens in Frage gestellt. Alte Paradigmen sind weggebrochen, jedoch noch nicht durch neue ersetzt worden.
Thomas Kuhn meint mit Paradigma ein vorherrschendes Denkmuster in einer bestimmten Zeit. Paradigmen spiegeln einen gewissen allgemein anerkannten Konsens über Annahmen und Vorstellungen wider, die es ermöglichen, für eine Vielzahl von Fragestellungen Lösungen zu bieten.(16) Wenn man einen neuen Konsens gefunden hat, dann hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. So sind dann neue Lösungen möglich. Wo ist eine philosophische Grundlage zu finden, welche das Herz einer gerechten Strategie der globalisierten Daseinsbewältigung ermöglicht?
Unsere Welt, das Kollektiv Menschheit, hat bisher keinen Konsens gefunden und damit stehen wir vor Unmenge von Fragen, ohne Antworten. Ohne allgemeingültige Werte ist Gemeinsamkeit nicht möglich. Der Mensch, der in einem Vakuum zwischen Frage und Antwort lebt, existiert wie einem Gefängnis, wie im Niemandsland in einen dunklem Alptraum, der sich nur im Licht der Antwort löst. Deshalb behauptet Hans Küng: Kein Überleben unseres Globus in Frieden und Gerechtigkeit ohne ein neues Paradigma internationaler Beziehungen auf der Grundlage globaler ethischer Standards.(17)
Die ständigen Veränderungen, der fehlende Konsens in den Fragen der Ethik und der Spielregeln des Lebens, machen das einfache Leben zu einem gefährlichen und tödlichen Abenteuerparcours. Jeder Tag wird zu einem anstrengenden Teufelskreis aus Wahrnehmen, Auswerten, Entscheiden, Anpassen, Handeln und neuem Wahrnehmen. Das alles verwirrt und stürzt das Individuum in eine Identitäts- und Existenzkrise. Diese Inkonstanz und dieses „Nicht-Wissen“ führt Richard David Precht zu seiner von Guy Helminger übernommenen und unbeantworteten Frage: Wer bin ich? Und wenn ja - wie viele?(18)


Wenn wir also die heutige Welt anschauen, so müssen wir uns bewusst werden, dass sie bereits im Augenblick des Anschauens nicht mehr so ist, wie wir sie sehen. Die Wirklichkeit hat uns bereits überholt, bevor wie unsere Wahrnehmungen verarbeitet haben. Planen und weises konzeptzonales  Handeln wird dadurch äußerst schwierig. Fatal jedoch ist, die Augen vor dem Erkennbaren zu verschließen und ein blindes Tappen im Dunkeln als Handlungsgrundlage zu nehmen.

 Wenn es schon fast unmöglich ist, das „Jetzt“ zu verstehen, wie ist es dann möglich konstruktiv nach vorne, in die Zukunft, zu planen. Ohne Voraussicht, ohne Perspektive jedoch wird das Morgen zu einer realen existenziellen Bedrohung. Die Unsicherheit und damit die Angst werden Leben bestimmend. Das projektierende Erkennen der Zukunft und die damit verbundene Perspektive legt die Prioritäten des heutigen Handelns fest. Deswegen werden kompetente Trendforscher teuer bezahlt und deswegen blüht das Geschäft von Wahrsagern und Hellsehern.

Das Evangelium von Christus ist global und richtet sich an alle Menschen. Ohne den Blick auf den gesamten Globus zu haben, gibt es kein Evangelium. Es kann kein individuelles, persönliches Evangelium geben, wenn es keine „Gute Nachricht“ für die gesamte Menschheit gibt. Es gibt keine lokale Rettung, wenn es kein globales Heil gibt. Die Christusbotschaft ist nun seit Beginn global angelegt. Sie richtet sich gleichwertig an alle Menschen. Dabei spielen Geschlecht und Rasse, Nationalität, Stand und Vermögen keine Rolle. Ja auch kein Standart moralischen Verhaltens. Paulus erklärte deutlich, dass es vor Gott kein Ansehen der Person gibt (Rm 2,11) sie alle gesündigt haben (Rm 3,9-11) und dass sie alle durch Christus gerettet werden können (Rm 3.23-24). Ist die christliche Kirche bereit, dieses Evangelium zu leben und zu verbreiten, und zwar durch eine radikale Christusnachfolge ihrer Würdenträger? Die Antwort auf eine sich verlierende Menschheit sind Menschen, welche gfunden wurden und dieses nun auch glaubhaft ausleben.


1 "Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft. Vieles was war, ist nun vergessen; niemand der heute lebt erinnert sich daran." Galadriel - Herr der Ringe
2 Andrea Hahn, Mythos Deutschland, Berliner Zeitung vom 25.März 2009, Interview von Andrea Hahn mit dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler 
3 Nach Angabe nach Weltbevölkerungsuhr leben am 5.7.2009 um 19:48 Uhr 6.793.464.340 Menschen auf dem Planeten Erde
4 Bei der Eingabe des Satzes „Man lebt um zu lernen“ fand Google am 5.7.2009 in nur 0,34 Sekunden 414000 Referenzen.
5 Martin Voegelin, Leiter der AEM Schweiz, in einem Vortrag auf der Missionars und Kandidaten Tagung der Allianz-Mission April 2004 in Niedenstein, eigene Mitschrift
6 Detlef Blöcher, Arbeitsbedingungen des Missionars in Klaus W. Müller, Hrsg. Die Person des Missionars – Refarate der Jahrestagung 1996 des Arbeitskreises für Missiologie – AfeM (VTR, Nürnberg: 1996)60
7 Hering, Bernd Schuppner, Nina Schuppner, Leadership statt Management: Führung durch Kommunikation (Haupt Verlag, Bern:2010)18
8 http://de.wikipedia.org/wiki/Welthunger#cite_note-0
9 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, Wochenbericht Nr. 7/2010; 77. Jahrgang; 17. Februar 2010; Sieben Fragen an Joachim R. Frick „Höhere Hartz-IV-Sätze lindern Symptome, ändern aber kaum die Armutsursachen“
10 Richard Sennett, Die Kultur des neuen Kapitalismus (BvT, Berlin: 2007)20
11 Baudrillard, Jean mit Romain Leick, Interview: Das ist der vierte Weltkrieg in: Spiegel. November 30, 2002.
12 In Die Kapitalismus-Debatte, Der Spiegel (11. Mai 2009) 98f
13 Gerhard Maletzke, Interkulturelle Kommunikation – Zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen (Westdeutscher Verlag, Opladen:1996)16
14 Lothar Käser, Fremde Kulturen (Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell:1997)37
15 Samuel P. Huntington, Der Kampf der Kulturen  6. Auflg. (Europaverlag, München – Wien:1997)168ff
16 Thomas Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt: 1967,)
17 Hans Küng, Wozu Weltethos (Herderverlag, Freiburg, Basel, Wien: 2002)9
18 Richard David Precht, Wer bin ich und wenn wie viele – Eine Philosophische Reise (Goldmann Verlag, München 2007) 17
 

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