Ist Gott die Liebe?
Die Bibel wurde immer wegen ihrer
Aussage „Gott ist Liebe“ hinterfragt. Die Welt ist voller Armut, Schmerz und
Leid. Die Frage, wie „ein liebender Gott all das Leid dieser Welt erlauben
kann“, stellt die Aussage, „Gott ist Liebe“ im Frage (1. Joh 4:9+18). Wilhelm
Busch stellt sich diesen Fragen angesichts der schmerzlichen Schicksale der
Tausende Menschen im Nachkriegs-Deutschland. Er beschreibt die tragische
Realität: Ein Junge wurde sterilisiert, weil seine Mutter Jüdin war, der Vater
wurde verhaftet, die Mutter kam nach Auschwitz. Frauen wurden vergewaltigt,
Kinder starben an Hunger, Arbeiter ohne Arbeit, Krankheiten ohne Heilung.
Angesichts dieser Dramatik wird ihm die Fragen gestellt: „Wo ist Gott?“ „Warum
lässt er das zu?“ „Warum schweigt er zu all diesen schrecklichen Dingen?“ und
dann drängt sich die Frage auf „Vielleicht gibt es gar keinen Gott?! Vielleicht
ist der Himmel leer!?“ Die Konsequenz bei vielen ist dann die Erklärung „ich
bin Atheist!1 Der Schmerz und das Leid dieser Welt ist
riesengroß. Wie
kann ein Gott der Liebe so viel Grausamkeit und so viel Schmerz und Leid
auf dieser Welt zulassen?
Die Theologie muss sich mit diesen
Fragen befassen und Antworten darauf finden. Francis Schaffer lehrte in seinem
Dienst in L’Abri: Wenn die Bibel
die Wahrheit Gottes ist, hält sie jeder Frage stand2 Vielleicht antwortet sie nicht auf alle Fragen der menschlichen Neugier,
aber sie hält alle gestellten Fragen aus. Die Antwort: „frage nicht, glaube
einfach“ ist keine gültige Antwort in einem Glauben, der behauptet, Gottes
Wahrheit zu kennen.3 Es ist das Fehlen
von Glauben, nicht sein Übermaß, welches diesen Fragen aus dem Weg geht.
Der Film „AI“ Artificial Intelligence4 von Steven Spielberg zeigt mit großer
Überzeugungskraft, dass die Fähigkeit zum Lieben auch die Kapazität zum Hassen
in sich bringt. Als Gott den Menschen mit seiner Kapazität zum lieben
geschaffen hat, musste er ihm auch die Freiheit geben, nicht zu lieben. Lieben
ist nur auf der Basis der Freiheit möglich. Jeder Zwang und jede Manipulation
macht Liebe unmöglich. Ohne Freiheit ist Liebe inexistent. Die Möglichkeit,
Gott nicht zu lieben, ist der Grund für all den Hass und die Verzweiflung der
Menschheit. Adam, und mit ihm die ganze Menschheit, entschloss sich für den Weg
des Hasses. Und doch ist es grade diese Entscheidungsfreiheit des Menschen
zwischen Liebe und Hass welche die Liebe Gottes beweist.
Die Welt wäre viel weniger leidvoll,
wenn der Mensch nicht so viel Schmerz verbreiten würde. Es ist grausam, wie der
Mensch mit dem Menschen umgeht. Die Römer hatten ein Sprichwort: „Homo
homini lupus“, der Mensch ist der Wolf des Menschen. Nach der Bibel hat
Gott den Menschen als verantwortlich für seine Handlungen geschaffen. Salomo
warnt: Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was
verborgen ist, es sei gut oder böse (Pred 12,14). Die Gerechtigkeit Gottes, die seine Liebe nicht aufhebt,
verlangt das Gericht Gottes. Daraus ergibt sich, dass der Mensch die Konsequenz
seiner Handlungen tragen muss. Er ist schuldfähig.
Der Gott der Bibel hat sich als der
offenbart, der mit den Menschen Gemeinschaft haben möchte. Damit erklärt er,
dass der Mensch als autonomes Individuum mit eigener Persönlichkeit anerkennt
ist. Der in der Bibel dargestellte Gott der tut niemanden Gewalt an, er
vergewaltigt niemanden. Er verwandelt den Menschen in keine Roboter oder
Marionetten, die ihre Kapazität zum Denken, Wollen oder Fühlen, zu entscheiden,
lieben oder hassen verlieren. Dem Menschen die Möglichkeit zum hassen nehmen,
würde die Zerstörung des menschlichen Wesens, seiner Persönlichkeit, bedeuten.
Damit ginge auch die Zerstörung der Würde der menschlichen Rasse einher. Ein
nicht schuldfähiger Mensch ist ein entmündigter Mensch. Die göttliche
Gerechtigkeit muss den fehlbaren Menschen verurteilen. Gott will das nicht. Er
will, dass allen Menschen geholfen werde und sie
zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (1Tm 2,4)
Deswegen wird er in seiner Gerechtigkeit eben
nicht als der distanzierte Rächergott. Er ist der, der Adam sucht (1Mo 3,9),
der, welcher Noah findet und so Rettung für die Menschheit gibt. Er erwählt
Abraham um die Menschheit zu segnen (1Mo 12,3). Er sieht das Elend seines
Volkes und es kümmert ihn (2Mo 3,7). Genauso macht es Gott zu schaffen, wenn
die Menschen in Ninive auf Grund der begannen Grausamkeiten untergehen sollten.
Deshalb sandte er seinen Missionar Jona zu ihnen. Als Jona mit Gott wegen des
ausbleibenden Gerichts unzufrieden war, freute sich Gott über die Rettung der
und er hatte Geduld mit seinem rebellischen Boten (Jona 4,1-11). Durch Jesaja
lässt Gott den Volk sagen: Du hast mir mit deinen
Sünden Arbeit gemacht! Mit deinen Vergehen hast du mich ermüdet! Ich, ich bin
es selber, der deine Vergehen auslöscht. Wegen meiner selbst gedenke ich deiner
Sünden nicht mehr. (Jes 43 24-25) Gott reagiert auf die
Sünde der Menschen nicht mit Rückzug in die Schweigsamkeit. Das wäre Gericht
wie Jakob Kroeker es sagt: Ein dauerndes Schweigen Gottes würde die
Menschheit in ewige Nacht und Tod hüllen.5 Der sich selbst zu den
Menschen sendende Gott ist der, welchen die Bibel offenbart.
Er offenbarte sich dem Menschen. Er
redet mit ihm. Er zeigte ihm so seine Liebe. Selbst in der Sünde sorgt er für
ihn. (1Mo 3,21) Er sprach mit ihm. Er tröste ihn und gab ihm Hoffnung. (1Mo
3,15) Der Mensch hatte immer die Möglichkeit die Offenbarung Gottes zu sehen
und darauf zu reagieren. Immer wieder gab es Bezeugungen seiner Nähe. Er sandte
Propheten. Doch diese wurden in der Regel abgelehnt. Das ganze Alte Testament
ist voll vom Reden Gottes zu den Menschen.
Wegen der Ablehnung seines Redens, sandte
er sich selbst in die Welt. Letztendlich wurde Gott selber Mensch und hat ein
menschliches Leben gelebt. Er setzte sich dem Schmerz dieser Welt aus. Damit
ist Jesus Christus Missio Deí in Reinform. Er lebte ein Leben voll von
Ablehnung (Joh 1,11), Unrecht und Schmerz (Jes 53,2-4). Der Schöpfer wurde
Mensch. Er wurde als Straßenkind geboren (Lk 2,7)und lebte als ein Obdachloser
(Lk 9,58). Er musste ins Ausland fliehen, um zu überleben (Mat 2,13-14). Seine
eigene Familie hat ihn verlassen und ihn als verrückt erklärt (Mk 3,21). Er
wurde von seinen Freunden hintergangen (Luk 22,48) und verlassen (Mk 14,50) und
grausam von seinen Feinden gefoltert (Mat 27,26-30). Durch ein korruptes und
verlogenes öffentliches Gericht verurteilt (Mat 27,24-25) wurde er von seinen
Volksgenossen ermordet (Apg 3 ,13-15). Er starb einsam (Mat 27,46) von der
Gesellschaft ausgeschlossen (Heb 13,12) den Tod eines Schwerverbrechers (Mk
15,27-28).
Er hat das ganze Drama des
menschlichen Lebens gelebt. Gott sah und erlebte die Sünde und das Leid, welches
das menschliche Leben von dem Garten Eden aus bestimmte. Er selber sandte sich
in die reale Welt Menschen der Sünde und des Hasses. Christus wurde das Opfer
all dieser Aggression, doch hat Er nicht gehasst. Dass ist der Gott den die
Bibel offenbart. Johannes sagt: Wir wissen, dass der Sohn
Gottes gekommen ist und uns befähig hat, den einzig wahren Gott zu erkennen.
Mit ihm sind wir durch Jesus Christus wahrhaftig verbunden. Dieser ist der
wahre Gott und das ewige Leben. (1 Joh 5,20) Paulus bewundert Jesus: Er war Gott gleich und hielt es nicht gewaltsam fest, Gott gleich zu sein.
Er legte alles ab und wurde wie ein Sklave. Er wurde Mensch und alle sahen ihn
als Menschen. Er erniedrigte sich selbst und gehorchte Gott bis zum Tod, ja bis
zum Verbrechertod am Kreuz. (Phil 2,6-8)
Das Wunder des Kreuzes Jesu ist das
Wunder der Liebe Gottes. Der Schöpfer litt in Jesus alle Art von Hass und
Schmerz durch seine Schöpfung. Er litt das alles ohne zu hassen oder die Welt
zu zerstören. Er rächte sich nicht an denen die ihn verletzten. Er betete für
sie. Er sorgte sich um sie. Dass ist Liebe.
Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass
Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. (Rm 5:8)
Im Studium der Abhandlungen über die
Liebe Gottes, hat es mich erstaunt, wie oft die Theologie versucht hat, dieser
Liebe Grenzen zu setzen6. Sogar Aiden W. Tozer, in seiner
wunderbaren Ausarbeitung über die Handlungen Gottes, verschwendet viel mehr
Zeit mit der Setzung von Grenzen dieser
Liebe als mit ihrer Verkündigung.7 Es scheint, als ob eine solche
grenzen- und bedingungslose Liebe unmöglich währe. Paulus sagt dazu:
Was können wir dazu sagen? Wenn Gott für zu uns steht, wer könnte dann
gegen uns sein? Er hat ja nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont, sondern
ihn für uns alle ausgeliefert: Wird er uns dann noch irgendetwas vorenthalten?
Durch den, der uns geliebt hat, ist uns ein überwältigender Sieg sicher. Ich
bin überzeugt: Nicht der Tod noch Leben, weder Engel noch andere Mächte, nichts
Gegenwärtiges noch das was in der Zukunft kommt, weder hohe Kräfte noch tiefe
Gewalten, nichts, gar nichts in der ganzen Schöpfung kann uns von Gottes Liebe
trennen, die in Jesus Christus, unserem Herrn verbürgt ist. (Rm 8,31-32 und 38-39)
Die Aussage, dass Gott Liebe ist, ist
eine Aussage zu seinem Wesen. Gott liebt nicht nur, sondern wesensmäßig ist er
Liebe. Paulus beschreibt die Liebe, und damit Gott, so:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe
treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht
ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie
rechnet das Böse nicht zu sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut
sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet
alles, sie duldet alles Die Liebe höret nimmer auf. (1Kor 13,4-8)
Gott kann nur Liebe sein, wenn er
persönlich ist. Ein Konzept eines unpersönlichen Gottes, wie wir es in den orientalischen
Religionen finden, verbietet eine göttliche Eigenschaft wie Liebe. Die Bibel
hat Gott als einen zwar unendlichen, aber persönlichen Gott offenbart8. Gott ist eine Person, eine
Persönlichkeit die zwar einzigartig, aber real ist. Gott ist nicht nur eine
Idee oder Kraft, aber eine Person mit der sich der Mensch beziehen kann.
Der Gott der Bibel zeigt seine Liebe
nicht dadurch, dass er das Leid der Welt aufhebt, sondern dass er sich selbst
in dieses Leid begibt. Er ist der, welcher die Schmerzen an seinem eigenen
Körper erlebt. Er wurde einer von uns. Er stieg in unser Elend hinein. Seine
Liebe wird dadurch deutlich, dass er unser Schicksal teilt. Jesaja beschreibt
Gott in seiner Identifikation mit dem Menschen: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und
Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht von ihm abwandte. Darum
haben wir ihn auch verachtet. Doch er trug unsere Krankheit und lud auf sich
unsre Schmerzen. (Jes 53,3-4). Die Inkarnation Gottes, das heißt seine Menschwerdung, mit
allen Konsequenzen, ist der Nachweis, dass Gott liebt.
Die Dreieinigkeit Gottes und Mission
Es ist die Liebe Gottes die sich in
Richtung des Menschen bewegt. Das ist ein Dynamischer Prozess. Liebe ist immer
aktiv, und Liebe bedeutet Beziehung. Beziehungen sind Veränderungen
unterworfen. Es stellt sich also die Frage, ob die Liebe Gottes zu dem Menschen
die Göttlichkeit des Gottes der Liebe verändert. Wenn die Qualitätsdefinition
„Gott ist Liebe“ aus der Beziehung Gottes zum Menschen erwachsen würde, dann
wäre es eine Variable, da der Mensch nicht konstant ist. Es ist aber nicht der
Mensch und die Beziehung zu ihm, der Gott zu einem Gott der Liebe macht. Gott
in sich ist Liebe, deswegen liebt er den Menschen. Gott braucht nicht die Beziehung
zu den Menschen um Liebe zu sein. Da Gott dreieinig ist, drei Personen, ist er
in seinem Wesen Beziehung. Erickson erklärt: Die Dreieinigkeit Gottes bedeutet, dass es eine ewige Ausübung der Liebe
gibt, selbst vor der Existenz des ersten geschaffenen Wesens.9 Diese ewige Liebe der Dreieinigkeit
ist die Quelle der Liebe Gottes.
Die Dreieinigkeit Gottes ist ein
Geheimnis der Natur Gottes, die in der Heiligen Schrift offenbar wird. Es ist
ein einzigartiges Konzept in der Welt. Erikson erklärt: In der Lehre der Dreieinigkeit, finden wir einer
der Konzeptionen, die das Christentum wirklich auszeichnen. Zwischen den
Religionen der Welt ist der christliche Glaube ohne gleichen wenn er sagt, dass
Gott ein ist, aber zur gleichen Zeit sind es drei die Gott sind.10
Karl Barth führt aus: Der Gott, der
sich nach der Schrift offenbart, ist Einer in drei eigentümlichen, in ihren
Beziehungen untereinander bestehenden Seinsweisen: Vater, Sohn und Heiliger
Geist. So ist er der Herr, d.h. das Du, das dem menschlichen Ich entgegentritt
und sich verbindet als das unauflösliche Subjekt und das ihm eben so und darin
als sein Gott offenbar wird.11
Christian Schwarz fordert: Das Bekenntnis zu Gott als Vater; Sohn und
Heiliger Geist ist das, was das Christentum von allen Religionen unterscheidet.
Wenn es aber das Spezifikum des christlichen Glaubens ist, dann sollte es auch
Ausgangspunkt unseres Nachdenkens über die Praxis sein.12 Weil Gott in seinem dreieinigen Wesen Liebe in
sich ist, können wir Gott nicht wie jeden anderen Stoff untersuchen. Liebe kann
man nur kennen, wenn wir von ihr umhüllt werden. Wer Liebe nicht erlebt und
lebt, kennt sie nicht. Wer niemals geliebt wurde und nie geliebt hat, weis
nicht, was Liebe ist. Deswegen kommt jedes Studium der Theologie ohne Beziehung
zu Gott selbst immer zu kurz. Da Gott Liebe ist und deshalb die Kenntnis über
Gott sich durch Beziehung erschließt, ist jede Theologie biographisch.
Gott
zu kennen kann man nur dadurch, dass eine persönliche Beziehung erlebt wird.
Das heißt, das Theologie keine objektive Naturwissenschaft ist. Theologie ist
den Geisteswissenschaften zugeordnet, gehört aber ebenso in die
Sozialwissenschaften. Es geht um Beziehung. Die Bibel offenbart Gott als
dreieinigen Gott. Ihn als dreieinig zu erkennen, bedeutet, dass eine einseitige
rationales Erkenntnis über Gott verlassen wurde und die relationale Ebene
betreten wurde. Das heißt auch, dass wir, um Erkenntnis über ihn zu gewinnen,
uns auf eine persönliche Beziehung mit ihm einlassen müssen. Christian Schwarz
provoziert, wenn er sagt:
Gotteserkenntnis nach dem biblischen
Verständnis ist durchaus vergleichbar mit der ganzheitlichen, sinnenhaften,
lustvollen Begegnung zwischen Mann und Frau. Während der hinter seinen Büchern
grübelnde Theologieprofessor kaum ein angemessenes Modell für „Erkenntnis“ im
biblischen Sinne darstellt, ist es die sexuelle Beziehung zwischen zwei
Menschen sehr wohl. Dass viele Christen Aussagen wie diese als anstößig
empfinden, zeigt nur, wie weit sich unser Gottesverständnis von der Bibel entfernt
hat.13
Eine Theologie, die sich mit Gott
beschäftigt, ohne sich auf ihn selber einzulassen, das heißt ihn zu lieben,
führt in die Häresie. Gott ist dreieinig, damit relational. Sein Handeln ist
daraus bestimmt. In dem Moment, in dem er gegen die Liebe, welche sein
relationales Wesen ist, handelt, gibt es keine Dreieinigkeit mehr. Missio Dei
ist die kreative und liebende Aktion des dreieinigen Gottes. So hat sich Gott
offenbart.
Das Wesen des dreieinigen Gottes ist, in seiner
Essenz, Beziehung. Beziehung lebt aus der Kommunikation. Josef Ratzinger
Benedikt XVI formuliert das, wenn er die Beziehung des Vaters zum Sohn
beschreibt, so: Es ist der Dialog der Liebe in Gott selbst – der Dialog, der
Gott ist.14
Gott ist durch und durch kommunikativ und dadurch im Wesen missionarisch.
Die Offenbarung Gottes ist Ausdruck seiner inneren Beziehung und ewigen Liebe.
Das Subjekt dieser Offenbarung ist er selbst (Rm 11,33-36). Wir müssen deshalb beachten, dass die
Schöpfung, einschließlich des Menschen, der ja Empfänger seiner Offenbarung
ist, teil dieser Selbstoffenbarung Gottes ist. Der Grund für die Erschaffung
und Existenz der Schöpfung, sowie ihr Ziel, ist Gott selbst. Paulus sagt: Denn
von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge (Rm 11,36). George Peters kommt zu dem
Schluss: Nicht das Wohlergehen und die Herrlichkeit des Menschen, nicht das
Wachstum und die Expansion der Kirche, sondern die Herrlichkeit Gottes sind das
höchste Ziel der Mission, weil sein Sinn und Wesen nun einmal der letzte Grund
für Mission sind.15
Wer ist dieser Gott, und wie ist Er?
Auch wenn der Mensch nicht der Grund,
Ziel und letzter Zweck der Offenbarung Gottes, der Missio Deí ist, so ist er
trotzdem Empfänger dieser. Da wir alle Zielpersonen der Kommunikation Gottes
sind, ist es wichtig, dass wir mit Bescheidenheit versuchen, ihn immer besser
kennen zu lernen. Wie wir schon sahen, ist das „Kennen“ Gottes nicht eine
Studie von Informationen, Doktrinen und Konzepten, in denen Gott sich in ein
Objekt unserer Neugier und Intelligenz verwandelt, aber das Abendteuer eines
persönlichen Zusammenlebens in einer liebender und intimen Beziehung.
Um Gemeinschaft zu haben, die eine
gemeinsame Verbindung darstellt, brauchen wir etwas gemeinsames zwischen Gott
und dem Menschen. Gemeinschaft ist nur auf Augenhöhe möglich. Thomas A. Harris,
in der Entwicklung seiner „Transaktionsanalyse“ sagt, dass die wirkliche
Gemeinschaft nur dann existiert, wenn zwischen zwei Personen folgende
Einstellung herrscht: „Ich bin o.k:, du bist o.k.“16.
Dies bedeutet, dass der Mensch und Gott nur dann Gemeinschaft haben können,
wenn eine Basis der Gleichheit und Gleichwertigkeit existiert. Wie ist eine
gleichwertige Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch möglich?
In dem Einen ist Gott nondimensional,
Menschen sind dreidimensional. Gott ist ewig, Menschen sind zeitlich begrenzt.
Gott ist unendlich, Menschen sind endlich. Gott ist allmächtig, Menschen sind
ohnmächtig. So könnten wir in der Aufzeichnung der großen Unterschiedlichkeit
fortfahren. Nehmen wir nun diese Dinge, dann wäre die logische
Schlussfolgerung, welche der Islam uns gibt, Gott ist so anders, so
einzigartig, so überlegen, dass Gemeinschaft nicht möglich ist. Die konsequente
Haltung gegenüber diesen Gott wäre die totale Unterwerfung, oder die radikale
und absolute, von vorne herein zum Scheitern verurteile, hoffnungslose
Rebellion gegen ihn. Wenn nun die Gottheit, oder wie es besser für die
vedischen Religionen ausgedrückt ist, das göttliche Sein unpersönliche Energie
und Kraft ist, dann ist Gemeinschaft grundsätzlich nicht möglich. Einer
unpersönlichen und Beziehungslosen Kraft, kann man sich nur aussetzten oder
entziehen, dass wenn diese Kraft allgegenwärtig ist eben doch nicht möglich
ist.
In der biblischen Darstellung ist
Beziehung zwischen Mensch und Gott jedoch möglich und umfangreich bezeugt. Otto
Weber sagt: Gott offenbart sich nicht als „etwas“, sondern sich selbst17.
Die Basis der Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen liegt in dem, dass
Gott personelles Sein, das heißt „Ich“ ist. Seine Unendlichkeit und seine
Personhaftigkeit stehen dabei nicht im Widerspruch zueinander, sondern als
zusammengehörend. Francis Schaeffer verbindet das für Menschen unfassbare „Sein“
Gottes mit dem Person sein, indem er formuliert: Der Gott der Bibel, also
der Gott des Alten und des Neuen Testaments, ist der unendlich-persönliche Gott.18
Gott wird in der Bibel als Wesen mit dem Merkmalen einer Persönlichkeit
dargestellt. Weil Gott „Ich“ ist, ist das „Du“ möglich. Der gilt für den
Menschen ebenso. Beziehung ist zwischen zwei Personen (ich und Du) möglich. In
Bezug auf Gott stellt Karl Rahner fest: ... den Männer des NT ist die
Personenhaftigkeit Gottes eine lebendige Wirklichkeit. Sie Wissen um Gott nicht
in erster Linie durch ihr eigenes theoretisches Fragen über die Welt hinaus,
sondern aus ihrer Erfahrung des lebendigen, aktiven Handelns Gottes an ihnen.19 Er
kommt zu dem Schluss, dass der Gott des Neuen Testamentes ein Gott ist, zu dem
der Mensch Du sagen darf, wie man nur zu einem personenhaften Wesen Du sagen
kann.20
Rahner definiert Person in Bezug auf
Gott mit dem, der handelt und zwar frei, aus sich selbst bestimmt. Für ihn ist
es wichtig, dass Gott in einem geschichtlich wirklichen Dialog mit dem Menschen
steht. Er beschreibt dieses so:
Gottes Handeln im Laufe
der Heilsgeschichte ist nicht gleichsam ein Monolog, den Gott für sich allein
führt, sondern ein langer dramatischer Dialog zwischen Gott und seinem
Geschöpf, in dem Gott dem Menschen die Möglichkeit einer echten Antwort auf
sein Wort erteilt und so sein eigenes weiteres Wort tatsächlich davon abhängig
macht, wie die freie Antwort des Menschen ausgefallen ist.21
In diesem Zusammenhang ist eine
Definition nach dem Begriff „Person“ notwendig. Das zu tun ist schwierig, da es
keine einheitliche Definition für den Begriff gibt. Otto Weber gebraucht den
Begriff als „Seinsweise“ oder „Existenzweise“ und unterscheidet diese deutlich
von der Definition Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung.22
Im Lexikon der Psychologie definiert
Wilhelm Arnold Person:
Das Wesen einer Person
wurde von Alters her als individuelle Substanz (Personenkern und dessen
Differenzierung) einer vernunftbegabten Natur erkannt. ... Der Mensch als
Person ist auf die Gemeinschaft hin angelegt. ... Ichbewusstsein ... weißt sich
in Charakter und Persönlichkeit aus.23
Das Wörterbuch von Antonio Houaiss definiert:
Eine Person ist
ausgestattet mit einer geistlichen Individualität, mit Eigenschaften wie
Rationalität, Wissen um sich selbst, Ausdrucksmöglichkeit, mit moralischen
Werten und die Kapazität, mit eigenen Willen zu handeln.24
In der Rechtswissenschaft wird von
natürlichen Personen oder Privatpersonen und juristischen Personen gesprochen.
Damit wird ein rechtlich verantwortliches individuelles Wesen oder ein
Kollektiv bezeichnet. Zu den gängigen Begriffen Selbstbewusstsein und
Selbstbestimmung kommt dadurch die Selbstverantwortlichkeit hinzu.
Die einzelne Person definiert sich
selbst als „Ich“. Damit grenz es sich von dem anderen, von dem „Du“ oder dem
„Ihr“ ab. Der Personenbegriff ist damit relational. Er bezieht sich auf den
oder auf die Anderen. Der Anthropologe Franz Josef Thiel stellt fest:
Jede menschliche Person
ist Zentrum zahlreicher sozialer Verflechtungen. Wenn wir bisweilen so tun, als
sei das Individuum eine für sich allein existierende von allen anderen
abgekapselte Größe, dann abstrahieren wir von seiner sozialen Verästelung,
durch die er erst Person geworden ist; diese Beziehungen sind beim Individuum
immer vorhanden, auch wenn wir bisweilen davon absehen.25
Damit nimmt Thiel die Position ein,
dass erst die Beziehungen ein Wesen zur Person machen. Otto Weber sieht das
gleich, doch definiert die Person von der Beziehung von Gott her:
Indem mir Gott in
seiner Selbsterschließung, d.h. in seinem Wort, als er-selbst, als das mich aus
meiner Verschlossenheit erlösende Du begegnet, bin ich „Ich“. ...
Ich bin „Ich“ indem Gott mich anspricht. Ich bin „Person“, indem ich coram
Deopersona bin. Mein Person-sein besteht nicht in sich selber, sondern im
Gegenüber – das Personsein des Menschen ist ein Theomorphismus.26
Zwischen Personen ist Beziehung
möglich. Beziehungen drücken sich durch interaktives Handeln aus. Durch die
Möglichkeit zur Handlung durch den eigenen freien Willen entsteht eine ethische
oder moralische Beziehung zwischen zwei Personen. Eine Person ist ein Wesen,
welches eine gleichwertige interaktive Beziehung zu einem anderen Wesen, mit
gleicher Qualität erstellen und aufrecht erhalten kann.
Das Handeln es kann diese Beziehung
fördern oder hindern. Es ist damit richtig oder falsch, gut oder böse. So auch
die Beziehung Mensch - Gott. Beobachten wir die Menschen, werden wir
feststellen, dass das moralische Gewissen des Einzelnen ihn verurteilt oder
bestärkt. Es ist auch die eigene Gewissensbeurteilung, die ihn inakzeptabel vor
Gott macht. Er kommt zu dem Schluss, dass Gott „o.k.“ ist, er aber nicht. Der
Mensch erlebt sich als Sünder. Er fühlt sich von Gott entfremdet. In allen
Religionen27 geht es
um diese Beziehung. Eine Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, auf einer
Gleichheit basierend, von Person zu Person scheint deshalb unmöglich.
Nur im jüdisch-christlichen Denken ist
Beziehung zwischen Gott und Mensch möglich. In keiner anderen Religion wird
eine solche Möglichkeit aufgezeigt. In allen Religionen wird der Mensch als ein
von der Göttlichkeit abgelehntes Wesen dargestellt. Dieser kann nur akzeptiert
werden kann, wenn der Mensch eine gewisse Leistung erbringt. Jeder dieser
Religionen geht von dem Standpunkt aus, dass dieser Gott zornerfüllt und
richtend zum Menschen steht. Dabei wird die menschliche Existenz von einer
gerechten und verdienten Strafe Gottes, oder der Götter und Geister, gezeichnet,
verstanden. Viele Praktiken und Riten der Religionen versuchen, die Bedingungen
ihrer Götter zu erfüllen, um eine strafende oder willkürliche Kasteiung zu
vermeiden.
In den meisten anderen Fällen wird
durch die religiösen Handlungen versucht, eine Intervention der göttlichen
Macht für ihre menschlichen Bedürfnisse und Wünsche zu erlangen. Das heißt der
Mensch manipuliert die Gottheit. Durch Übungen und Riten versucht der Mensch
sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Gott wendet sich dem Menschen erst dann
zu, wenn er die notwendigen Opfer
gebracht hat, oder die göttlichen Anweisungen befolgt hat.
Der in der Bibel offenbarte Gott
stellt sich anders da. Er sagt: Ich akzeptiere dich, Ich liebe dich, komm,
glaube und lebe mit mir. Er sagt eben dem Menschen nicht: Du wirst oder kannst
nur akzeptiert werden, wenn oder falls du dieses oder jenes tust oder
erreichst, oder folgende Bedingungen erfüllst. Der Gott der Bibel verlangt
nicht die Zufriedenstellung und die Erfüllung seiner Maßstäbe um sich und dem
Menschen auf eine Ebene zu stellen. Er verlangt keine menschliche Leistung um
den moralischen Standesunterschied aufzuheben. Er wird in der Bibel offenbart
als der Gott der Vergebung. Jesaja zeigt, dass dieser Gott ganz anders als die
menschliche Vorstellung von Gott ist, weil er vergibt: Der Gottlose verlasse seinen Weg, der Übeltäter seine schlimmen Gedanken!
Er kehre um zu Jahwe, damit der sich seiner erbarmt, zu unserem Gott, denn der
ist groß im Vergeben. "Meine Gedanken sind nicht wie eure Gedanken, und
eure Wege nicht wie meine Wege!", spricht Jahwe. (Jes 55,7-8) Micha staunt anbetend: Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die
Missetat den übrigen seines Erbteils, der seinen Zorn nicht ewiglich behält!
denn er ist barmherzig. (Micha 7,18) In seiner Vergebung schafft Gott die Basis der moralischen
Gleichheit, zwischen ihm und den Menschen. Damit sind die Voraussetzungen für
eine gleichwertige Beziehung geschaffen. Es wird die Gemeinschaft von Gott und
Mensche möglich.. Jahwe sagt selber zu dem Volk: Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit
deinen Missetaten. Ich, ich selber tilge deine Übertretungen um meinetwillen
und gedenke deiner Sünden nicht. (Jes 43,24-25) Paulus kommt zum Schluss: Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf
dass wir in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt würden. (2Cor 5,21) Weil Gott der Vergebende
ist, gibt es nichts, dass der Beziehung zu Gott im Wege steht, außer der eigene Wille des einzelnen Menschen, der diese
Beziehung nicht will.
Diese Botschaft der Gnade Gottes
erscheint für viele inakzeptabel. Die Menschen wollen Leistung oder Sühne
erbringen. Gemeinschaft mit Gott ist Gnade. Wer dies nicht annimmt oder nicht
daran glaubt, kennt nicht den Gott der Bibel. Jesus Christus sagt: Alle, die der Vater mir gibt, werden zu mir kommen und ich werde sie nicht
zurückweisen. (Joh 6,37) Johannes erklärt: So sehr liebt Gott
die Welt: Er gab seinen einzigen Sohn für sie, dass jeder, der an ihn
glaubt, nicht zugrunde geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16) Paulus
bestätigt dieses: Durch die Gnade seid ihr
gerettet worden aufgrund des Glaubens. Ihr selbst habt nichts dazu getan, es
ist Gottes Geschenk und nicht euer eigenes Werk. Denn niemand soll sich etwas
auf seine guten Taten einbilden können. (Eph 2,8-9) Er erklärt
der Gemeinde in Rom: Gott hat seine Liebe zu uns
dadurch bewiesen, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. (Rm 5,8) Deswegen schreibt auch Johannes: Die Liebe hat ihren Grund nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern
dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühnopfer für unsere Sünden gesandt
hat. (1Joh 4,10)
Die Liebe Gottes zu den Menschen ist
inkonditional. Er vergibt alle Sünden des Menschen. Der moralische Fehltritt
ist kein Hindernis zu der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen. Es ist nicht
der Mensch, der diese Frage löst, sondern Gott selbst löst sie für sich. So
sagt Paulus: Gott war "in Christus", als er
durch ihn die Menschen mit sich versöhnte und darauf verzichtete, ihnen ihre
Verfehlungen anzurechnen. (2Kor 5,19)
Der Gott der Bibel offenbart sich als
Gott der Vergebung. Er ist der, der sich dem Menschen nähert und selber alles
entfernt, was diese Gemeinschaft verhindern könnte. Damit unterscheidet er sich
radikal von den anderen Gottheiten und Gotteskonzepten dieser Welt. Das Angebot
der Vergebung Gottes ist inkonditional
für alle Menschen, denn es ist nicht auf die Handlungen oder den Willen des
Menschen gegründet, sondern in seiner eigenen Liebe.
Was sind die missiologischen Konsequenzen.
Wenn es nun stimmt, dass was George
Verwer sagte, dass jede Häresie mit einem falschen Gotteskonzept
anfängt28, müssen wir in der
christlichen Missiologie die Frage nach dem Gotteskonzept überdenken. Die
Gottesvorstellung bestimmt jedes daraus resultierendes theologische Schema. Es
ist egal, ob es sich dabei um eine
Person, eine Gemeinschaft, eine Kirche, eine Denomination, eine Gesellschaft
oder eine Kultur handelt. Der Gott der Bibel, der existiert, hat sich
offenbart. Nicht nur in der Natur, sondern auch auf einer spezifischen und
konkrete Art und Weise. Er tat dieses um seine Persönlichkeit zu enthüllen. Er
selbst hat sich der Welt gesandt. Er ist Mission. Deswegen muss die Mission der
Gemeinde Jesu an erster Stelle der Träger und das Vermittler der spezifischen
Offenbarung Gottes an diese Welt sein.
Jede missionarische Aktion und
kirchliche Aktivität muss als Ziel die verständliche Offenbarung Gottes haben
und damit seine Ehre. Damit stehen wir vor der Herausforderung, dass wir jedes Handeln der Gemeinde Gottes,
jede Veranstaltung und Aktivität, von diesem Ziel heraus überdenken müssen. Die
Offenbarung Gottes ist der Grund, Absicht und das Wesen der Missio Dei. Für
jeden Botschafter Gottes ergibt sich daraus, dass er diesen Gott kennt und mit
ihm in einer realen und lebendigen Beziehung lebt. Weil Gott im Wesen Beziehung
ist, ist diese Voraussetzung unveräußerliche Bedingung für das Predigtamt.
Dieses fordert jede theologische Ausbildung heraus. Sie soll nicht nur
kirchliche Profis durch intellektuelles Lehren oder durch das Aneignen
pastorales „Know how“ hervorbringen, sondern ihre Lernenden zu ein Leben in der
Beziehung mit Gottes führen. Für ein Leben im Dienst der Verkündigung, ist die
persönliche Intimität mit Gott unersetzbar. Die Person, die nicht mit Gott
lebt, ist nicht für den Dienst in Missio Deí, das heißt im christlichen Dienst,
geeignet.
Die Liebe Gottes ist die Essenz seines
Wesens. Diese definiert seine Gerechtigkeit und Heiligkeit. Es ist klar, dass
alle Eigenschaften Gottes in ihm selber verbunden sind und keine die andere
aufhebt. Nach Tozer ist es aber Gottes Liebe, welche für alle anderen
Eigenschaften die Qualität definiert29.
Es ist für den Nachfolger Christ unmöglich heilig oder gerecht zu sein, ohne zu
lieben (1Joh 4,12 und 20), so wie es unmöglich ist, zu lieben, ohne Heiligkeit
und Gerechtigkeit (1Joh 3,10).
Johannes sagt auf eine absolute und
radikale Art: Wer nicht liebhat, der kennt Gott nicht;
denn Gott ist Liebe. (1Joh 4,8) Eine
Predigt, ein Gemeindetreffen oder eine missionarische Aktion, die nicht von
seiner Liebe motiviert wird, verzerrt die Missio Deí und damit die Offenbarung
Gottes. Als Folge führt sie dann auch nicht zur Anbetung Gottes. Jesus selber
macht das sehr deutlich. Die Glaubwürdigkeit seiner Nachfolger macht er von der
gegenseitigen Liebe abhängig. Seine Anweisung ist eindeutig: Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich
euch geliebt habe, so dass auch ihr euch untereinander lieb habt. Daran wird
jedermann erkennen, dass ihr meine Nachfolger seid, wenn ihr Liebe
untereinander habt. (Joh 13,34-35)
Was ist der Konflikt zwischen Liebe und Wahrheit?
Die Liebe ist ein hohes Ideal. Gelebte
Liebe erscheint eine Utopie zu sein. In der wirklichen Welt gibt es oft Streit
und viele Auseinandersetzungen und Konflikte. Oft auch gerade bei den Menschen,
welche sagen sie seien Jünger Jesu. Diese Spannungen entstehen oft in dem
Bestreben, sich an die richtige Lehre des Evangelium zu halten. Gemeinden teilen sich darüber.
Menschen werden verletzt, Geschwister hassen sich und einer zerstört den anderen.
Das alles im Namen der wahren und reinen Lehre. Die Gräueltaten der Inquisition
wurden in der Suche nach der wahren Lehre begründet. Bis heute werden Personen
von Christen verachtet, verfolgt, misshandelt und umgebracht mit dieser selben Begründung. Die Bibel sagt:
Wer nicht liebt, kennt Gott nicht30.
Wer also nicht liebt, hat auch nicht den rechten Glauben, nicht die reine
Lehre, lebt also in einer Häresie und hängt einem Irrtum an.
Dabei wird der Hass und die Handlung
gegen den anderen mit der Wahrheit begründet. Die Bibel sagt aber, dass Gott
die Wahrheit ist und deshalb gibt es keine Wahrheit ohne Liebe. Beides ist im
Wesen Gottes vereint und steht nicht im Gegensatz zueinander. Wahrheit ohne
Liebe ist deshalb eine „Nichtwahrheit“, das heißt eine Lüge. Man kann aber auch
daraus umkehrmäßig schließen, dass es keine Liebe ohne Wahrheit gibt. Aus
diesem Gesichtspunkt ist die Lüge aus Liebe ein Absurd.
Die theologische Reflektion und
Forschung, welche nach der offenbarten Wahrheit sucht, muss von der Liebe zu
Gott und den Menschen geleitet werden. Wissen und Erkenntnis Gottes erwächst
aus der Beziehung zu ihm. Paulus folgert deshalb auch: Wenn jemand meint, etwas erkannt zu haben, dann hat er noch nicht einmal
erkannt, wie man erkennen soll. Wenn aber jemand Gott liebt, dann ist er von
ihm erkannt worden. (1Kor 8,2-3) So ist die Nähe, die Beziehung zu Gottes der Schlüssel, zum
theologischen Wissen.
In der Verkündung des Evangeliums
findet sich der Missionar in einem Konflikt mit den vorhandenen religiösen
Überzeugungen und der schrankenlosen Liebe Gottes zu den Menschen wieder. Dabei
muss die geoffenbarte Wahrheit der Bibel als die einzige Wahrheit verkündet und
zur gleichen Zeit die Liebe Gottes zu den Personen der anderer Religionen
gelebt werden. Karl Hartenstein macht
diese Spannung folgender maßen deutlich:
1. Mission ist die radikale Tapferkeit,
den Gegensatz zwischen Christusbotschaft und Heidentum zu ertragen und zu
durchleiden.
2. Mission ist die radikale Demut und
Liebe, mit der Gott selbst uns zu seinem Geschöpf ruft, welches sich nach ihm sehnt
und sich um dessentwillen ängstigt, weil es ihn noch nicht gefunden hat.31
Die missionarische Arbeit, welche den Gott der
Bibel offenbart, der sich aus eigener Initiative dem Menschen mit all seiner
Liebe und voller Vergebung nähert, soll und kann kein Kreuzzug gegen den
Glauben eines anderen sein, sondern muss ein Zeugnis der Liebe Gottes, durch
ein Leben des Opfers und Hingabe zu denen, die diesen Gott nicht kennen, sein.
Jesus sagte: Gott hat seinen Sohn ja nicht in die
Welt geschickt, um sie zu verurteilen, sondern um sie durch ihn zu retten. (Joh 3,17) Deswegen
ist Christus für diese Welt gestorben. Die Begegnung mit denen, die ihn nicht
kennen und ihn logischerweise auch nicht lieben, muss ohne Verurteilung und
ohne Diskriminierung geschehen. Dabei aber mit hingebender Bereitschaft zum
Dienst und Wohl der Gottfernen trotz Ablehnung, Diskriminierung, Verurteilung
und Verfolgung in Liebe gelebt werden. Dies wird ein Leben von radikaler
Hingabe und absolutem Eifer für die Offenbarung des Herrn, dem Gottes der
Liebe, sein. Ein solches Leben ist dann die authentischste Argumentation der
Wahrheit.
1 Wilhelm Busch, Jesus unser Schicksal 5.
Aufl. (verlag der Schriftenmission, Gladbeck: 1971)78
2 Schaeffer, Francis A., O Deus que intervém – O Evangelho para o
Homem de hoje ( Refúgio Editora, Brasília: 1981)127
3 Francis A. Schaeffer, Kirche am Ende des 20.
Jahrhunderts (R. Brockhaus Verag, Wuppertal: 1972)109
4 Erscheinungsjahr 2001
5 Kroeker, Jakob, Die erste Schöpfung, ihr Fall
und Wiederherstellung – Noah und das Damalige Weltgericht, 4.Auflage
(Brunnenverlag, Giessen: 1972)13
6 Böhl, Eduard, Dogmatik, (Hänssler Verlag,
Neuhausen Stuttgart: 1995)105
7 Aiden W. Tozer, Mais perto de Deus – Os atributos de Deus e seus
significados na vida Cristã, 4. edição (Editora Mundo Cristão, São Paulo:
1993)115ff
8 Schaeffer, Francis A., O Deus que intervém – O Evangelho para o
Homem de hoje ( Refúgio Editora, Brasília: 1981)
9 Erickson, Millard J., Introdução à Teologia Sistemática,
(Edições Vida Nova, São Paulo: 1992)123
10 Erickson, Millard J., Introdução à Teologia Sistemática,
(Edições Vida Nova, São Paulo: 1992)123
11 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik Bd. I,1 Die
Lehre vom Wort Gottes (Chr. Kaiser, Münschen:1932)367
12 Christian A. Schwarz, Die dreifache Kunst Gott
zu erleben – die befreiende Kraft eines trinitarischen Glaubens (C&P /
Koinonia, Emmelsbüll / Rothrist: 1999)4
13 Christian A. Schwarz, Die dreifache Kunst Gott
zu erleben – die befreiende Kraft eines trinitarischen Glaubens (C&P /
Koinonia, Emmelsbüll / Rothrist: 1999) 6
14 Josef Ratzinger Benedikt XVI., Jesus von
Nazareth (Herder Verlag, Freiburg: 2007)395
15 George W. Peters, Missionárisches Handeln und
biblischer Auftrag – Eine Theologie der Mission (Verlag der Liebenzeller
Mission, Bad Liebenzell: 1977)61
16 Thomas A. Harris, Ich bin ok – du bist ok
(Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg: 1973)
17 Otto Weber, Grundlagen der Dogmatik, in 2
Bänden (Evangelische Verlagsanstalt, Berlin: 1965)193 Bd.1
18 Francis A. Schaeffer, Gott ist keine Illusion,
2. Auflg. (R. Brockhaus, Wuppertal: 1972)105
19 Karl Rahner, Schriften zur Theologie I,
(Verlagsanstalt Benzinger, Einsiedeln: 1954)119
20 ebd. 120
21 Karl Rahner, Schriften zur Theologie I,
(Verlagsanstalt Benzinger, Einsiedeln: 1954)126-127
22 Otto Weber, Grundlagen der Dogmatik, in 2
Bänden (Evangelische Verlagsanstalt, Berlin: 1965)419 Bd.1
23 Wilhelm Arnold, Person in Arnold, Wilhelm,
Hans Jürgen Eysenck, Richard Meili, Lexikonder Psychologie (Herderverlag,
Freiburg: 1987) Bd.2, 1571-1572
24 Antonio Houaiss, Mauro de Salles Villar, Francisco Manuel de Mello
Franco, Dicionário Houiss da Língua Portuguesa (Editora Objetiva, Rio de
Janeiro: 2001)2201pessoa
25 Josef Franz Thiel, Grundbegriffe der
Ethnologie, 4. erweiterte und überarbeitete Auflage (Dietrich Reimer
Verlag, Berlin: 1983)79
26 Otto Weber, Grundlagen der Dogmatik, in 2
Bänden (Evangelische Verlagsanstalt, Berlin: 1965)523-524 Bd.1
27 Religion kommt von lat: religio, wörtlich: die Rückbindung. Auch
zurückgeführt auf religere, immer wieder lesen, oder religare
zurückbinden; frei übersetzt: wieder verbinden.
28 George Verwer, Gründer und Leiter der Mission
Operation Mobilisation, in einem Vortrag für Pastoren in der Bibelschule Brake,
Lemgo, Deutschland, Oktober 1974
29 Aiden W. Tozer, Mais
perto de Deus – Os atributos de Deus e seus significados na vida Cristã, 4.
edição (Editora Mundo Cristão, São Paulo: 1993)23
30 1 Johannes 4:8
31 Karl Hartenstein, Die missionárische Begegnung
mit dem Heidentum, Mission und Gemeinde Heft 51 (Missionsverlag, Stuittgart:
1938)8
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